Mit der Vortragsreihe DiskuTANO etabliert die Transferagentur Nord-Ost ein kurzweiliges Online-Format: Eröffnet mit einem Impuls wird ein Schlaglicht auf ein aktuell relevantes Thema der kommunalen Bildungslandschaft geworfen. Anschließend gibt es Gelegenheit zu Austausch und Diskussion.
Das DiskuTANO „Vernetzte Bildung für eine zukunftsorientierte Regionalentwicklung“ fand am Mittwoch, den 12.07.2023 von 10:00-11:30 Uhr online über Webex statt.
Bildungslandschaften weiterzuentwickeln, heißt nicht nur Chancengerechtigkeit und erfolgreiches lebenslanges Lernen vor Ort zu fördern, sondern verspricht auch einen Mehrwert für die wirtschaftliche Entwicklung der Kommune. Investition in Bildung bedeutet also auch eine Investition in die Zukunftsfähigkeit einer Region. Im Fokus dieses DiskuTANOs standen daher die Fragen: Wo finden sich Schnittstellen zwischen Bildungsmanagement und Regionalentwicklung? Wieso ist Bildung ein Standortfaktor? Und worin liegen die Chancen einer vernetzten Bildungslandschaft für eine zukunftsorientierte Regionalentwicklung? Um erste Antworten auf diese Fragen zu geben, war Prof. Dr. Henrique Ricardo Otten (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW) als Impulsgeber zu Gast.
Frage an die Teilnehmenden: Was hat mir meine Ausbildung gefragt?
Studien aus der Bildungsökonomik (vgl. Hanushek, Eric A./Wößmann, Ludger (2015): The Knowledge Capital of Nations: Education and the Economics of Growth. Cambridge, Massachusetts/London, England: The MIT Press) deuten auf einen Zusammenhang zwischen den kognitiven Kompetenzen der Bevölkerung und der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes hin: Hohe Bildungsleistungen führen zu einer starken wirtschaftlichen Entwicklung, so die Erkenntnisse der Studie. Eine Rolle spielt auch der Zeitpunkt der Bildungsinvestitionen im Lebenslauf. Nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen, sondern auch aus bildungsökonomischer Sicht lohne es sich, schon bei frühkindlicher Bildung anzusetzen. Hier werde die Schnittstelle zwischen Regionalentwicklung und Bildungsmanagement deutlich sichtbar.
Deshalb fordert Otten einen ganzheitlichen Ansatz der Bildungsförderung im Zusammenspiel unterschiedlicher Bildungsakteure in einem Bildungsnetzwerk. Eines von vielen Arbeitsfeldern dieser Bildungsnetzwerke ist die Berufsorientierung von Jugendlichen, die gleichermaßen auf Bildungsförderung wie auch auf Regionalentwicklung einzahlt. Diese sollte berufliche Souveränität zum Ziel haben, d.h. die Jugendlichen dazu zu befähigen, ihre Berufswahl selbstbestimmt und kompetent zu vollziehen.
Frage an die Teilnehmenden: Was bringt Berufsschule meiner Region?
Für die Zukunft stellte Otten in Aussicht, dass es zu einer digitalen Disruption kommen werde. Er wies darauf hin, dass die datengetriebene Ökonomie ein Wachstumsmotor sein werde und Deutschland hinsichtlich der damit verbundenen Qualifikationsanforderungen bisher nicht gut aufgestellt sei. Kompetenzen wie Problemlösefähigkeit, Agilität, Flexibilität, kreative und digitale Kompetenzen sollten verstärkt vermittelt werden, da diese in der Zukunft noch mehr an Bedeutsamkeit gewinnen würden.
In der anschließenden Diskussion wurde die Abwertung praktischer Berufsausbildung gegenüber der Aufwertung der universitären Bildung, ausgelöst durch den Bologna-Prozess, thematisiert. Ein möglicher Ansatz der Wiederaufwertung von nicht-akademischen Berufen könnten laut Otten die Weiterentwicklung von dualen und sogar trialen Studiengänge sein (bspw. Handwerksmanagement an der Hochschule Niederrhein (s.
hier). Generell dürften bei allen Berufen die praktischen Erfahrungen, die im Betrieb gewonnen werden, nicht aus den Augen verloren werden.
Als Schwierigkeit wird auch die zu beobachtende mangelnde Ausbildungsreife vieler Jugendlicher thematisiert. Angebote zur Berufsorientierung würden aus Sicht der Teilnehmenden in solchen Fällen häufig nicht ausreichen. Zumeist stünde diesen Jugendlichen nur das Übergangssystem offen. Zwar gibt es eine Berufsschulpflicht für alle Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit, die sich an alle Jugendlichen wendet, stellt jedoch ein freiwilliges Angebot dar, das die jungen Menschen, die nach der allgemeinbildenden Schule noch keinen Anschluss haben, nicht annehmen müssen. Wie man an diese Jugendlichen noch besser herantreten kann, um sie nach Verlassen der Schule nicht aus den Augen zu verlieren, darüber ist die Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendberufsagenturen in Schleswig-Holstein zurzeit im Gespräch mit den zuständigen Ministerien.